Gedanken zum neuen Jahr
Von Monsignore Richard Distler, Dekan
Vor dem neuen Jahr stehen wir mit zwiespältigen Gefühlen. Was wird es uns bringen? Gerade dem heutigen Menschen, der alles gern in den Griff bekommen möchte, kommt das Ungewisse des neuen Jahres etwas unheimlich vor. Es gibt zwar auch den "Zauber des Anfangs", wie es der Dichter Herrmann
Hesse einmal ausdrückt, es gibt die Kostbarkeit des Neubeginns, seine Hoffnung und seine noch nicht erschlossenen Möglichkeiten. Dennoch kann das Ungewisse der Zukunft uns auch Angst machen. Angst jedoch ist ein schlechter Ratgeber. Man muss ja nicht unbedingt dem Schriftsteller Jean-Paul Sartre folgen, der meint: "Das Dasein des Menschen gleicht einem dunklen Meer unter einem dunklen Himmel und mit einem Steuermann an Bord, der taub und blind ist." Haben wir wirklich fürs neue Jahr keinen anderen Steuermann für unser Lebensboot als einen tauben und blinden?
Der Glaube setzt auf einen sehenden und hörenden Steuermann, auf einen mit Überblick und Umsicht, auf einen, der Kurs hält und uns sogar unter einem manchmal dunklen Himmel über das dunkle Meer der Ungewissheit navigiert. Aber die Frage ist: Vertraue ich diesem Steuermann, stelle ich meinen inneren Kompass, mein "Navi-gerät" auf ihn ein? Denn dieser Steuermann braucht wie jeder Kapitän nicht die Kopflosigkeit, sondern das Vertrauen seiner Mannschaft und seiner Passagiere. Aber wer ist unser Steuermann, unser Kapitän? Können wir uns allein der Wissenschaft anvertrauen? Sie vermittelt uns gewiss immer bessere Einsichten und oft faszinierende neue Erkenntnisse, aber sie ist in ihrem Wesen kühl, kalt, sachlich und nüchtern und setzt nicht auf emotionale und personale Bindung. Können wir uns der Wirtschaft und der Politik anvertrauen? Beide haben zwar viel mit Psychologie, Emotion und Vertrauen zu tun, aber sie können auch in Irrungen und Wirrungen abtriften.
Der Glaube setzt auf Gott als den Kapitän für unser Lebensschiff, auch im neuen Jahr. Aber warum kann man auf ihn setzen? Wir haben erst den Advent und Weihnachten gefeiert. Das Kirchenjahr geht dem bürgerlichen Jahr voraus und beginnt mit dem ersten Adventssonntag. Da wird gleichsam dem bürgerlichen Jahr die Ankunft des Steuermanns Christus in dieser Welt und die Menschwerdung Gottes vorgeschaltet. Das ist ein Hoffnungszeichen! Es besagt: Mensch, hab keine Angst auf dem dunklen Meer deiner Lebenszeit. Du bist nicht allein. "In der Fülle der Zeit", wie es im Galaterbrief heißt, kam Gott in deine Zeit. In Jesus gibt er uns einen umsichtigen und erfahrenen Steuermann an die Seite. Aber können wir uns ihm anvertrauen?
Wir können es, denn er selbst kennt die Mühsal, die Angst und die Schrecken menschlichen Daseins. Er kennt sogar die Todesangst. Aber er ist kein tauber und blinder Steuermann wie der des Jean-Paul Sartre. Mag das neue Jahr dann und wann auch dunkel und stürmisch werden, er unser Steuermann hält Kurs, wenn wir uns ihm anvertrauen, wenn wir für ihn sehend werden und auf ihn hören. Er hilft uns, rechtzeitig Gefahren zu erkennen und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Mehr noch: Er gibt uns Hoffnung, Zuwendung und Geborgenheit auf der Fahrt ins neue Jahr.
In diesem Sinne Ihnen ein gesegnetes neues Jahr!
31.12.10
neumarktonline: Gedanken zum neuen Jahr