Gedanken zu Fronleichnam
Von Monsignore Richard Distler, Dekan
"Das Geheimnis lasst uns künden!" Unter diesem Motto steht die Fronleichnamsfeier in der Stadt Neumarkt. Aber ein Geheimnis wie die Gegenwart Christi in der geweihten Hostie kann doch nur etwas Geheimnisvolles bleiben, wieso wird es dann am Fronleichnam dennoch "gekündet" und "verkündet"? Wieso gehen da gläubige Katholiken an diesem Festtag sogar mit diesem Geheimnis auf die Straße? Will man da vielleicht nur Aufsehen erregen, eine Schau veranstalten, wie es manchmal Fronleichnam unterstellt wird?

Absolut nicht. Es geht vielmehr darum, an eine allumfassende Wirklichkeit zu erinnern, die in unserer modernen Welt immer mehr ins Abseits gerät: Es ist die Wirklichkeit Gottes. An Fronleichnam wird die verborgene und geheimnisvolle Gegenwart Gottes genau an den Ort zurückgeholt, an den sie hingehört: Nicht nur in die Kirchen, sondern mitten ins pulsierende Leben, mitten in unsere Städte und Dörfer, mitten in die Welt der Arbeit und Freizeit, in die Welt des Kaufens und Verkaufens, mitten in unsere Häuser, Straßen und Wohnungen.
Gewiss ist das ein Wagnis. aber warum sollte die Kirche es unterlassen, Fronleichnamsaltäre auf Plätzen, in Straßen und Gassen aufzustellen? Sie muss es sogar tun, denn die Kirche hat einen Gott zu verkünden, der nicht "über den Wolken" thront, sondern der den Menschen ganz nahe sein möchte in ihren Sorgen, Leiden und Nöten, heißt es doch schon in der hl. Schrift: "Es ist seine Freude, unter den Menschen zu wohnen".
Zeichen dieser Wohnung Gottes unter den Menschen ist der Leib Christi in der Monstranz, die geweihte Hostie. Wenn an vier Altären Station gemacht wird, wenn vier Mal ein Evangelium gesungen und in die vier Himmelsrichtungen der eucharistische Segen erteilt wird, dann wird dadurch deutlich, was schon Mose in seiner berühmten Gottesbegegnung in der Wüste erfahren durfte: "Ich bin Jahwe, ich bin der, der für dich da ist, da war und da sein wird!"
Besonders nah erfahrbar und spürbar wird diese Gegenwart Gottes in der Feier der heiligen Messe und in der Aussetzung der konsekrierten Hostie in der Monstranz. Da ist sie ganz nah, auch wenn es sich dennoch wieder entzieht. Nur das offene, gläubige Herz kann sich diesem Geheimnis nähern, denn der Verstand allein begreift es nicht, wie schon der große Theologe Thomas von Aquin in seinem berühmten Lied: "Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir!" sinniert.
Die konsekrierte Hostie hat man schon in der frühen Kirche aufbewahrt, um sie den Kranken, Gefangenen und Sterbenden zu reichen. Im Mittelalter kam es dann zu einer starken Eucharistiefrömmigkeit mit ihrem Höhepunkt im 13. Jahrhundert. Ausgelöst wurde Fronleichnam durch eine Frau, durch die Augustinernonne Juliana von Lüttich im Jahr 1209. Sie soll in einer Vision einen dunklen Fleck in der glänzenden Mondscheibe gesehen haben. Das deutete sie als Fehlen eines eigenen Leib-Christi-Festes im Jahreskreis. So entstand eine neue Eucharistiebewegung und mit ihr Fronleichnam, ein Fest, das im Jahr 1264 von Papst Urban IV. für die ganze Kirche eingeführt wurde und doch zurückreicht bis zu Jesu letztem Abendmahl.
Der hl. Thomas von Aquin schrieb dazu Hymnen, die heute noch gern gesungen werden: "Lobe Zion deinen Hirten", "Sakrament der Liebe Gottes","Gottheit tief verborgen" und das Lied "Pange linqua: Das Geheimnis lasst uns künden!"
02.06.10
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