Raues Lüftchen wehte

Andernorts hat der DGB "nicht gewerkschaftskonforme SPD-Politiker" von ihren Kundgebungen ausgeladen. In Neumarkt war von einer Kluft zwischen Gewerkschaftern und Sozialdemokraten nichts zu spüren. Im Gegenteil: Zur Kundgebung kamen alle, die wollen, dass "du mehr verdienst", von Oberbürgermeister Thomas Thumann über Stadträte, Betriebsräte bis hin zu Bundestagsabgeordnetem Alois Karl.
Fotos: Erich Zwick

"Es lebe die Revolution" - ganz so weit gingen die Forderungen
in Neumarkt dann doch nicht.
NEUMARKT. Von einer Freude über die gesunkenen Arbeitslosenzahlen und über die überraschende Belebung der Wirtschaft war bei der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am "Tag der Arbeit" vor dem Rathaus nichts zu verspüren. Trotz der wärmenden Maisonne spürten die erfreulich vielen Teilnehmer die soziale Kälte, die sich unmerklich unter den Ostwind mischte und ein raues Lüftchen über den Platz blies.
Günter Heinz, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Regensburg, zerpflückte die vermeintlich guten Nachrichten und demaskierte so manche "Mogelpackung". So beschwor er die Politik, einen Mindestlohn durchzusetzen, wie es ihn in 22 von 27 EU-Staaten bereits gibt. "Deutschlands Weg in die Zukunft kann nicht mit Billig-Jobs funktionieren", rief er unter dem Beifall der Gewerkschafter und ihrer Sympathisanten aus. Mini- und Ein-Euro-Jobs würden nur dazu führen, reguläre Arbeitsplätze zu verdrängen - eine Entwicklung, die sich bitter rächen würde, denn bereits heute seien Facharbeiter in verschiedenen Sparten kaum mehr zu finden.

Günter Heinz war der Hauptredner des Tages
Damit gab er sich selbst das Stichwort für "mehr Bildung und mehr Weiterbildung", wobei er einen "ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt" durchaus das Wort redete, um wieder beim "Verdienen" - dem DGB-Motto des 1. Mai "Du hast mehr verdient" - anzugelangen. "Wer verdient was und wofür?", stellte er die Frage, um sie gleich zu beantworten: Die Vorstandsvorsitzenden der Konzerne, die mit einem Jahresgehalt nach Hause gehen, das ein Facharbeiter sein Leben lang nicht zusammenkratzt, die Aktionäre, deren Dividenden im letzten Jahr um fast 40 Prozent gestiegen sind. "Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, aber der Reichtum wird sozial ungerecht verteilt", fasste Günter Heinz zusammen.
Auf den sich in der Metallindustrie abzeichnenden Streik eingehend, forderte der Redner eine "andere Wirtschafts- und Sozialpolitik." Die von den Arbeitgebern angebotenen 2,5 Prozent mehr Entgelt und einen Konjunkturbonus von 0,5 Prozent lehnt der Gewerkschaftsfunktionär als "Magerkost" ab. "Die Produktivität wurde in den letzten Jahren um 23 Prozent gesteigert, und daran wollen wir dauerhaft und fair beteiligt werden", unterstrich Heinz.

Ungewöhnlich viele Fahnen flatterten im Wind, aus dem
hoffentlich kein Sturm zu werden braucht, um die Arbeitneh-
merinteressen durchzusetzen.
Sollten die Warnstreiks nicht als Signal verstanden werden - auch für den Bereich Regensburg/Neumarkt kündigte der Bevollmächtigte für Mittwoch Warnstreiks an -, "wird die Gangart härter", ließ der Redner die Muskeln spielen.
Von den zahlreichen Gästen, unter ihnen Bundestagsabgeordneter Alois Karl, die DGB-Ortskartellvorsitzender Michael Meyer namentlich begrüßte, ergriffen Oberbürgermeister Thomas Thumann und Dekan Dr. Wolfgang Bub das Wort.
Das Stadtoberhaupt hätte sich gewünscht, dass noch mehr Demonstranten zu der Kundgebung gekommen wären. Er sprach den Gewerkschaften die hohe Aufgabe zu, in einer funktionierenden Demokratie Verantwortung zu tragen - nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Dekan Dr. Wolfgang Bub beklagte, dass nicht mehr der Mensch, sondern der Markt "Maß aller Dinge" geworden sei. Deswegen müssten Kirche und Gewerkschaften entgegensteuern, dass Werte, wie die Sonntag- und Feiertagsruhe und Sozialsysteme, die einstmals mustergültig waren, nicht zur Disposition gestellt werden.
Erich Zwick

Wem der "Tag der Arbeit" mehr bedeutete als einen freien Tag für einen Ausflug, der setzte sich am Rathaus mit seiner aktuellen Botschaft auseinander.
01.05.07
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