Von Atmosphäre begeistert
NEUMARKT. Noch zwei Wochen sind es, bis die 25. Saison der
Oberweilinger Kneipenbühne zu Ende geht.
Nicht ohne Stolz können Hanne und Golly dann auf
ein Viertel Jahrhundert erfolgreiche Kulturarbeit und nahezu 1000
veranstaltete Konzerte mit vielen unvergleichlichen Highlights zurückblicken
- eines davon fand am vergangenen Samstag statt und ist wohl nicht so
schnell zu toppen, jedenfalls nicht mehr in dieser Saison:
Die beiden
Weltklasse-Musiker Andrea Wolper und Ken Filiano, die ihre Europatournee
ausgerechnet in Oberweiling starteten, zeigten sich trotz leichtem Jetleg
in Höchstform. Die sympathische Sängerin aus Kanada und ihr New Yorker
Lebensgefährte, die noch vor ein paar Tagen in der "Downtown Music Gallery"
in New York City gespielt hatten, waren hellauf begeistert von der
Atmosphäre und dem netten Publikum im vollen "Owei" und beteuerten ein ums
andere Mal, dass eine Tournee gar nicht besser beginnen kann.
Leider war der angekündigte Gitarrist Ron Affif verhindert und wurde
kurzfristig durch den Berliner Keyboarder Sebastian Schönke ersetzt, der
allerdings tapfer mithielt. Als "Special Guest" setzte der Nürnberger
Weltmusiker Dieter Weberpals flötistische Farbtupfer und fungierte als
Conferencier.
Auf dem Programm stand Mainstream-Vokaljazz ohne Berührungsängste. Denn
neben eigenen Kompositionen wie dem sehr groovigen "I can sleep the day
away and it won't cause too much sorrow tomorrow" wurden Klassiker der
Popmusik gecovert wie etwa Joni Mitchells "Play it cool - 50/50 fire and
ice". Besonders bei dieser Nummer zeigte Ken Filiano am Kontrabass, was aus
seinem Instrument alles herauszuholen ist und man konnte es fast körperlich
spüren, warum er in der New Yorker Szene hochangesehen ist und dort zu den
gefragtesten Bassisten gehört - klar, wer schon in der Carnegie Hall
gespielt hat ...
Einfach ebenso umwerfend war die Stimme von Andrea Wolper,
die lyrischen Blues wie George Bensons "You don't know what love is"
genauso stilsicher interpretierte wie Popmusik von Van Morrison, dessen
"Moondance"-Melodie sie allerdings witzigerweise kurzerhand mit dem Cole-
Porter-Text von "You'd be so nice to come home" (aus der Filmkomödie
"Something to shout about, USA 1943) unterlegte.
Wie facettenreich Vokaljazz sein kann, zeigte Andrea Wolper an einem Text
des amerikanischen Vorzeigelyrikers Walt Whitman aus dessen Werk "Leaves of
grass", den sie lautmalerisch frei improvisierte und dennoch mit elfenhaft
zarter Schönheit interpretierte - dabei erinnerte ihre Gesangstechnik
überraschend stark an den New Yorker Vokalkünstler David Moss (als Solist
in Heiner Goebbles Surrogate Cities eine wahres Stimm-Weltwunder), mit dem
sie sich sogar stellenweise auf gleicher Augenhöhe bewegte.
Als eine Liebeserklärung an die Oberweilinger Veranstalter und natürlich
das Publikum (auf dessen guten Geschmack man in der Kneipenbühne
mittlerweile stolz sein sollte) kann die Zugabe verstanden werden, die
Andrea und Ken gaben, nämlich Miss Nancy Wilsons "I wish I knew, why I'm so
in love with you".
Schön, so etwas erleben zu dürfen - Hanne und Golly
wurden ein weiteres Mal für ihren Mut zum Außergewöhnlichen belohnt und das
ist für die beiden mit Sicherheit ein Anstoß, noch ein paar Jährchen auf
diesem Niveau weiterzumachen.
14.05.06
neumarktonline: Von Atmosphäre begeistert